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Interview mit Karin Hinterleitner von Betacity Stuttgart (05/2000)

beginning of multi.trudi

Stefan Beck, der seit Jahren per E-Mail-Verteiler über Club-, Kunst- und Musikevents die Szene informiert, veröffentlichte erst kürzlich auf dem von Ihm betreuten Portal Thing Frankfurt eine Liste unabhängiger Kunsträume im Raum Frankfurt.

Stefan Beck berichtet, dass diese Kunstszene in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt, seit jährlich zur Kunstmesse "Art Frankfurt" ein gemeinsamer Flyer mit Veranstaltungsprogramm verteilt und ein Rundgang angeboten wird.

Stefan Beck: "Seit das gemeinsame Veranstaltungsprogramm einen gewissen Erfolg hat, streben immer mehr Leute eine Beteiligung an - auch Leute, die eben mal ihr Atelier während der Kunstmesse leerräumen und das ganze als Galerie deklarieren. Man hatte sich darauf geeinigt, dass keine offenen Ateliers zugelassen werden. Aber auch das war in Offenbach schon nicht mehr durchzuhalten.

Das Konfliktpotential entsteht aus der Abgrenzungsfrage, die sich bereits in der schwierigen Definition des Begriffs ,Off-Space' zeigt. Der kleinste gemeinsame Nenner ist: Es sollen keine ,richtigen' Galerien dabei sein, aber was ist schon eine ,richtige' Galerie. Auf die substantiellere Frage ,Was ist ein Off-Space?' antworte ich: alle, die unter diesem Label firmieren wollen. Es kommt darauf an, wie die einzelnen arbeiten. Begriffe wie ,selbstorganisiert', ,frei', ,nichtkommerziell' taugen nichts - damit werden nur alle über einen Kamm geschert.

Ich halte die Frage für weitaus interessanter, warum jemand unter diesen Begriff gefasst werden will, wenn er sich zum Beispiel über Möbelbau seinen Lebensunterhalt verdient und ab und zu noch einen Ausstellungsraum unterhält und neben seinen Möbeln auch Kunstwerke präsentiert.

Ganz polemisch gesagt sind Off-Spaces schlechte Galerien, die aus irgendwelchen Gründen den nötigen Cashflow nicht bewerkstelligen. Wenn also jemand alle zwei Monate im Hinterhof eine Ausstellung macht und dazu die ganze Metaphysik bemüht, also Einladungskarte, Vernissage, Ausstellung, ist er dadurch "off", dass er es nicht schafft, die für den Kunstbetrieb notwendige Aufmerksamkeit zu erzielen. Bei solchen Bemühungen handelt es sich nicht um einen Galeriebetrieb.

Galerien haben wenig mit Ausstellungsräumen und Einladungskarten zu tun. Galeristen sind Dealer, die neunzig Prozent ihrer Zeit damit verbringen, Kontakte zu schließen und den Output ihrer Künstler an den Mann zu bringen. Weil ich so etwas nicht leisten kann, habe ich mir vorgenommen, auf das ganze Brimborium zu verzichten und mich auf Dinge zu konzentrieren, die für mich spannender sind."

Stefan Beck arbeitet seit 1997 unter dem Label multi.trudi [www.multitrudi.de]. Er ging damit als einer der ersten Künstler in Deutschland online, um über sein Programm und seine Gäste zu informieren. Seit Jahren unterhält er einen E-Mail-Verteiler. Seine Location ist ein ehemaliges Waaghäuschen im Frankfurter Hafen, wohin er in unregelmäßigen Abständen zu Club-, Musik-, Ausstellungs- und Themenabenden einlädt. Sein Gedanke ist an die Tradition des Salons anzuschließen. Die Enge seiner Räumlichkeit bringt es mit sich, dass seine Gäste unwillkürlich miteinander ins Gespräch kommen. Multi.trudi-Abende sind vergleichbar mit der Club-Atmosphäre, wie sie in Stuttgart von Jens Hermann in "Dein Klub" anzutreffen ist.

Während der diesjährigen Art Frankfurt, hatte Stefan Beck David Goldenberg aus London zu Gast. Gemeinsam organisierten sie ein Veranstaltungsprogramm unter dem Titel: "ars future requirements".

Stefan Beck: "Dieses Jahr war David Goldenberg mit seinem Projekt "Ende der Ausstellungskunst" bei mir zu Gast. Wir waren zusammen auf der Messe und haben eine Galerie aus Mexiko gefunden, die nichts ausgestellt hat. Es gab also einen leeren Stand. Dort war ein Koffer, und in dem Koffer befanden sich die Reiseutensilien der Galeristen. Sie erklärten, ihr Beitrag sei einfach, da zu sein. Wenn es also eine Kunstmesse gäbe, zu der alle Galerien, wie diese mexikanische Galerie, einfach nur mit einem Schreibtisch in ihrer leeren weißen Box sitzen würde, so wäre das für mich unheimlich verstörend, weil das meinen Abwertungsmechanismen entgegenwirken würde. So gehe ich über die Kunstmesse und sage mir ,Ach, alles nur Hängeware'. Andernfalls müsste ich zu den Ausstellern hingehen und fragen ,Was verstehen Sie unter Kunst?' oder ,Welche Kunst bieten Sie mir an?'. Dabei würde eine ganz andere Qualität von Interaktion eintreten."

Im weiteren Gespräch erinnert sich Stefan Beck, dessen eigene Flyer wichtige Dokumente seiner Arbeit darstellen, an die Anfänge der Szene-Flyer in Frankfurt: "Das Ganze hat eher trashig angefangen. Zum Beispiel gab es das ,Gartners'. Die verteilten nur handkopierte Flyer. Erst später wurde die CI-Schiene gefahren und Hochglanz-Karten und Presseerklärungen verschickt."

Zur Wirkung seiner eigenen multi.trudi-Flyern sagt er:

"Über die exakte Wirkungsweise der Flyer habe ich mir bisher kein vollständiges Bild machen können, aber meine Annahme, je text- und theorielastiger ein Flyer daherkommt, desto weniger Besucher zieht er an, hat sich bislang nicht bestätigen können. Eher unspezifische, visuell orientierte Flyer haben nicht signifikant mehr Leute gebracht.

Nach meiner Einschätzung waren die Flyer am besten, die gleich einen direkten Bezug zum Adressaten herstellten, also die Möglichkeit sich zu identifizieren oder zu distanzieren, wie zum Beispiel ,Dein Nachbar ist das Medium', ,Hör zu oder stirb" oder ,Musik für Bankangestellte'.

Ein multi.trudi-Abend hat immer ein bestimmtes Thema oder gliedert sich in die Reihe eines Themenkomplexes. Der Grad der Ausarbeitung eines Themas ist sehr unterschiedlich.

Ich habe festgestellt, dass es interessant ist, mit ein paar Basis-Elementen anzufangen, und dann nach Reaktion des Publikums in einem späteren Abend neue Elemente hinzuzufügen. Als ich letzten Sommer das Thema ,Kurhaus' hatte, kamen gleich Anregungen, ein Kurhaus müsste auch Postkarten haben. Also habe ich für das nächste Mal Postkarten gemalt. Ich finde das unfertige an diesem Ansatz sehr wichtig."

Stefan Beck schätzt an der sogenannten Medienkunst den kommunikativen Aspekt, die Möglichkeiten zur Interaktion und zum ungezwungenen Meinungsaustausch. Dazu bedarf es weniger Design und High-Tech, als Leuten, die sich als Moderatoren und Community-Manager engagieren.

Projekte wie "the thing" haben ihn immer schon gereizt. Deshalb übernahm er von Andreas Kallfelz die Betreung von "the-thing-frankfurt". Ein Minimum an Kooperation existiert bereits zwischen dem Frankfurter Kunstverein und "the-thing-frankfurt": Ihre Webssites sind verlinkt. Das ist bereits mehr als so manche vergleichbare Institution in Stuttgart leistet.

September 2000

multi.trudi heim