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					 Kaum Information im Beiheft, nur eine graphische Anleitung zur Herstellung von Loops mit Hilfe zweier »turntables with fixed needles« - das grafische Design der CD-Verpackung so spröde wie eine CD der Deutschen Bundespost. 
							 
						Stefan Beck kommt aus Frankfurt und bemüht sich, den dort arbeitenden Bankangestellten einen ganz eigenen »Electronic sound of Frankfurt« zu bescheren, mit dessen Hilfe sie sich in Sachen Distinktionsgewinn und Spezialwissen schmücken können. 
							 
						Wenn Japan-Noise à la Merzbow, K.K. Null und Violent Onsen Geisha ein Spiegel des Alltags in Tokyo sein sollte, dann darf Musik für Bankangestellte mit Fug und Recht als die erste Veröffentlichung gelten, die den Alltag der Bankstadt Frankfurt/Main adäquat akustisch umsetzt. Kommt die erste der fünf Nummern noch eher verhalten daher, hysterisch quietschend Vogelstimmen imitierend, was vom Gestus her an Spaß-Noise-Phänomene wie Runzelstirn und Gurgelstock erinnert, bietet der Rest der CD völlig nerven aufreibende Elektronik, eine radikale Scratch-Session voller rasanter, unangenehm quäkiger Sounds im Hochtonbereich. 
							 
						Die rhythmisch pulsierenden Strukturen weigern sich, eine Zweckehe mit dem Beat einzugehen, sondern dienen nur als Textur, als ein den jeweiligen Track zusammenhaltenden Kitt. Sie sind das schabende und schmurgelnde Gewebe, aus dem ständig grob und gemein Noise-Fetzen herausspringen, die sich problemlos mit Merzbow-Terror messen können - und deshalb noch viel gemeiner sind, weil sie immer nur sporadisch erscheinen. 
							 
						Damit allerdings kein falscher Eindruck entsteht: Musik für Bankangestellte ist keine bloß provozierende Anti-Musik, sondern durchaus strukturierte Turntable-Arbeit, so vital wie Digital Hardcore, aber weniger plump. Anders gesagt: Wäre Christian Marclay ein Punkrocker, könnte er wie Stefan Beck klingen. 
							 
						Der provozierende Akt liegt, wenn überhaupt, im Kontrast zwischen Titel/Design und der darauf gebotenen Musik. Aber selbst ein solcher Neodada-Witz hat sich in der pluralistischen und neoliberalen Alles-ist-möglich-Ära erübrigt: 
							 
						Stefan Beck ist dermaßen weit draußen independent, daß er nicht einmal auf die Idee kam, ein Besprechungsexemplar an testcard zu schicken. Nein, ein Freund erst mußte es mir empfehlen. Dieser Freund arbeitet in Frankfurt. Bei einer Event Agentur der Deutschen Bank. In deren Büroräumen diese CD gelaufen ist. So schaut es aus. 
							 
							mb (Martin Büsser) 
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					 The Omnibus of Time 
							 
						Wie Sie halten Digital Hardcore für Lärmbelästigung und Atari Teenage Riot für undifferenzierten Krach? 
							 
						Dann lassen Sie die Finger weg von Stefan Becks CD. Hier gibt es nicht nur Porno-Samples und eklig gepitschte Stimmen, sondern vor allem viel Krach. Der ist an zwei Turntables entstanden, ohne Midi, Sampler und Computer, wie das Backcover ganz oldschool verkündet. 
							 
						Entsprechend rauh und holprig, also 'handgemacht' klingen die Aufnahmen auch, archaisch stellenweise wie die ersten Scratches in den Achtzigern. 
							 
						Das verleiht den Aufnahmen einen gewissen Charme. Denn abgesehn davon, daß die meisten Zeitgenossen More Sounds of Multi.Trudi (so der ausgeschriebene Titel) sowieso nur für undifferenzierten Krach halten werden, sind die Sounds sehr wohl strukturiert und mit Bedacht geschichtet, so daß auch ab und an richtige Beats entstehen. 
							 
						Vergleichbar mit V/VM, aber nicht ganz so abwechslungsreich und humorvoll wie sie, wird Noise hier nie allzu verdichtet eingesetzt, sondern in klar kalkulierten Schüben, die Power nach vorne treiben. 
							 
						Adrenalin-Stoff für Nerds, unausgelastete Medienwissenschaftler und allen, denen die eigene Plattensammlung noch zu konventionell erscheint. 
					mb (Martin Büsser) 
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					 neue cd stefan beck 
							 
							"auf die mischung kommt es an" steht unter einem 4er-Mischpult ohne 
							Spuren nur mit X-Faders 
							 
							Mischen als geschlossenes System 
							 
							"von multi.trudi, dem kleinsten Ausstellungsraum Frankfurts, ist gerade die 
								dritte CD-Veroeffentlichung erschienen: MO.S.O.M.cord 
								 
								Anders als bei der vorangegangenen Musik fuer Bankangestellte wurde hier 
								auf Vinyl-Platten gegenwaertiger Club-Musik als Ausgangsmaterial 
								zurueckgegriffen. Hinzu kommen Sprachsamples, die mittels eines Dictaphons 
								eingespielt wurden. 
								Als Ergebnis ist eine Musik entstanden, die zwischen Wiedererkennbarem 
								und Verfremdung schwankt. Verglichen mit herkoemmlicher Club-Musik kam es 
								hier weniger auf das, was gemacht, als das was gehoert wurde an. 
								MO.S.O.M.cord versteht sich somit als Beitrag zur Rekonstruktion des 
								Hoererlebnisses gegenwaertiger Clubmusik. 
								Gleich geblieben ist das Verfahren: geloopte Schallplatten bilden den 
								Input, der mittels eines speziell konfigurierten Mischpultes und 
								Effektgeraeten weiter bearbeitet wurde (...). Alle Stuecke wurden live 
								erstellt und ohne weitere Korrekturen direkt auf Band aufgezeichnet. MIDI, 
								Sampler, Computer sowie weiteres Editing kamen nicht zum Einsatz. Die 
								Musik bildet den Prosesz ihres Entstehens genau ab." 
							 
							Kann man den letzten Satz nicht unbedingt unterschreiben, weil das 
							konstruktivistische Ohr die naive akustische Abbildtheorie eher als 
							Konzept eines Ab-Bilds lesen musz und sie ja dann eigentlich 
							»Abhoertheorie« heiszen mueszte, so bietet Stefan Beck ein 
							Meta-Hoerangebot an. Obwohl die CD zu hoeren nicht gerade ein Genusz ist. 
							Wird also das gehoert, was bediente Maschinen auditieren? Versucht man 
							nicht, bis an die verwendeten Materialien ranzukommen indem man sich 
							durch das Postproduzierte (nahe am Rauschen) hindurchhoeren will? Folgt 
							man Stefan Becks Diktum, dann ist die CD eine Wiederbelebung des 
							"In the mix" mit anderen Mitteln, indem eben nicht "gemischt" oder 
							remixed wird, sondern indem die Praxis von Mischen und Remix vorgefuehrt 
							wird. Schliezlich laeszt sich sagen, dass es hier um die Erforschung des 
							Rezipierens geht, im lokalen Bezug zur Stadt. Wie klingt es, wenn jemand 
							den tpologischen Kontext, der selbst schon Aufnahme ist, zitiert ohne zu 
							sehr in bildende Lautmalerei und szenische Verweiserei zu verfallen? Wir 
							praegen hiefuer das Adjektiv »systemexmanent«. 
							 
							Track 1 alles mit rauschen belegt 
							uebertypisierte stoergeraeuschtaktik, die sich dann in musik als signal 
							steigert 
							> cover checken 
							Frankfurter Begrifflichkeiten wie "Fruchtig", "RadioX", "Ordnungsamt", 
							"Boersenspekulation", "Geld + Bank", "Hessische Kulturstiftung", "Techno" 
							etc. 
							ah, Gleichungen: Frankfurter + Club = Revolution 
							empfehlung: zur partizipation an den tracks eine moehre oder cornflakes 
							kauen 
							 
							ab hier 2 [?] uebersteuerungen = strom (wie komm uebersteuerung 
							zustande?), vezerrte und geflangte [<?] zitate (kann man mit soundforge 
							machen, der open closed hihat beat nicht als basis oder referenz so. als 
							soundstrecke ueber unter u neben anderen, 
							 
							3 "stuecke" vom moderator der ueber "potential hits" referiert, 
							 
							4 unkenntliche lyrics (?) und 1 zweiter teil der suite [was ist suite?] 
							 
							5 (das dilemma wie man ueber musik schreiben soll > bei nietzsche 
							nachlesen?): tribe-gesaenge zerhackt, witz deutscher technolyrik 
							 
							6 die stimme sagt forward messages, say yes 
							 
							7 ah, das kenne ich. wenn man d abtastnadel d. plattspielers in eine 
							hoehe bringt dass sie die vinyl nur manchmal beruehrt ergibt das 1 
							rhytmus 
							 
							8 a la krachhardcore, so sachen, die man mit hifis und kopfhoerern machen 
							kann 
							 
							9 brummen und so, zw noise u beatrhytm 
							 
							zuerst dachte ich, sb beLEGT alle tracks mit stoerungen, dann viel auf, 
							er stoert die tracks in sich. was aber ist dann der 'ur-track'? wenn alle 
							tracks in sich gestoert sind, hat die stoerlogik einen fehler. die stuecke 
							klingen wie bearbeitetes material (zu dt. frickelkram), dann aber geht die 
							interpretation in richtung: das grundsaetzlich als stoerung konnotierte 
							klang-material besteht aus geraeusch/atonalitaeten - klassischer techno? 
							... 
							arbeitet sich sb am tonalen guerilliakrieg gegen die intellektdisco ab? 
							verweigerung der klangforschung, und das mitten aus der technoclubstadt 
							 
							hoehenlastig, verzerrig, zerhackig 
							 
							sagte sich 1 Generation, wir beschaeftigen uns mit dem Output von 
							Maschinen 
							 
							live direct to tape 
							no midi 
							no sampler 
							no compuer 
							no editing 
							 
							Turntables 
							with fixed needles 
							(for loops) 
							Compressor 
							Filter 
							Effects 
							Delay 
							Compressor 
							Mini-Tape 
							Filter 2 
							Mixing-Console 
							 
							(ms) Matze Schmidt matze.schmidt@n0name.de 
							 
							Stefan Beck. MO.S.O.M.cord: more sounds of multi.trudi. CD. 9 Tracks, 
							72:55 Min. 2000. 
							 
						 
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